Theater
Prominentenball
Es spielen Eva Gosciejewicz, Irm Hermann, Robert Joseph Bartl / Peter Rappenglück, Marcus Calvin, Jörg Hube, Christoph Marti, Helmut Pick, Georg Ringsgwandl.
Musiker: Christian Diener, Gerwin Eisenhauer, Nick Woodland, Walter Lang , Christian Doepke.
Premiere 19. März 2004 im Residenztheater München
Regie: Georg Ringsgwandl
Bühne: Jürgen Höfer
Kostüme: Ann Poppel
Musik: Georg Ringsgwandl

Fotos: Thomas Dashuber

Im Hotel Jahreszeiten arbeitet Attila Rowhani, ein Flüchtling aus dem Libanon, als Etagenkellner. Eines Tages zieht er sich den Armani eines Gastes an und geht über die Straße in die teuerste Boutique dieser teuren Stadt, wo er sich einen Anzug kauft. Der Besitzerin des Ladens fällt auf, dass der Fremde über erstklassige Manieren verfügt, hinkt und sowohl großzügig als auch bar bezahlt. Sie besorgt ihm einen Termin bei ihrem Mann, dem überaus vielseitigen Dr. Bernhard Mayer, den seine Freunde nur Doc nennen. Er betreut den örtlichen Bundesligaverein, und der Trainer sagt im Radio, der Doc sei der beste Arzt der Welt.
In der Praxis von Dr. Mayer verliebt sich der Libanese in Selma, eine Jugoslawin, die vor dem Bürgerkrieg Ärztin auf dem Balkan war, beim Doc aber als Sprechstundenhilfe eingesetzt wird. Sie sorgt dafür, dass Rowhani die Film- und Fernsehstars, Edelgastronomen und Fußballstars kennen lernt, die hier aus- und eingehen.
Rechtzeitig vor der WM verschafft der Fußballstar Manni Deus dem Doc den Posten als Nationalmannschaftsarzt. Damit wird Bernhard Mayer noch berühmter, d.h. er braucht einen Doppelnamen. Da seine Frau eine geborene Gräfin vom Pfuhl ist, scheidet diese Möglichkeit aus. Der Libanese vermittelt ein elegantes Geschäft: In dem Obdachlosenasyl, wo er noch immer wohnt, gibt es einen heruntergekommenen Alten namens Herbert Waldorf, und der adoptiert Frau Mayer. Nun erscheint der Doc bei seinen großen Auftritten als Dr. Bernhard Mayer-Waldorf, abgekürzt BMW.
Streng vertraulich erzählt man sich, der Libanese habe in der Beiruter Bankenszene ein Vermögen verdient. Einer nach dem anderen bitten ihn die Stars, ihr Geld anzulegen. Rowhani aber will von Geldgeschäften nichts mehr wissen, er interessiert sich nur noch für Kunst. Aber je zurückhaltender er sich verhält, desto mehr drängen sie ihm ihr Geld auf. Irgendwann geht die Pleite um, der berühmte Mittelstürmer ist immer öfter verletzt, der Verein fällt in der Tabelle zurück und die ersten Patienten wandern zur Konkurrenz ab. Der Wohltätigkeitsball wird trotzdem gefeiert, aber es kommt zu einem Eklat.
Kritiken

SpiegelKULTURMontag, 22. März 2004, Seite 182

SATIRE
Schätzchen-Karussell

Wie erkennt man das Halbseidene? "Man liebt es, und man lädt es ein." Diese Kurzfassung der münchnerischen Hassliebe zum Busselnden und Schnaxelnden stammt aus dem Stück "Prominentenball" des Komikers Georg Ringsgwandl, das am Wochenende im Münchner Residenztheater Premiere hatte. Es laden - kaum maskiert - ein: Bernhard Mayer-Waldorf, Mannschaftsarzt bei Bayern München (Ringsgwandl), Feinkost-Spross Michael Dachs (Robert Joseph Bartl), Fußballer Manni Deus (Jörg Hube) und die grellste, witzigste Uschi Stahl (Christoph Marti) diesseits des Schätzchen-Äquators. Auf die Handlung kommt es gar nicht an. Es sind die dem bayerischen Society-Leben abgeschauten Typen, ihre Hohlphrasen und Luxussorgen, die der frühere Mediziner Ringsgwandl so genüsslich wie angeekelt seziert: ein schriller Bühnenkracher für die Stadt von Wildmoser, Moshammer und Uschi Glas.

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Stuttgarter Zeitung 23.03.04

Maschen knüpfen, durchsausen

Georg Ringsgwandls Satire "Prominentenball" in München

Von Michael Werner

Der Fußballprofi hat ein Problem. Das ist sein Knie. "Ich find mich ein - hier weg"n mei"m Bein" trällert also der wie weiland Lothar Matthäus fränkelnde Stürmer Manni Deus (urkomisch ignorant: Jörg Hube) unspezifisch bekümmert, als er in die Praxis des Sport- und Prominentenarztes Bernhard Mayer humpelt. Georg Ringsgwandl spielt den Schluridoktor grotesk agil, oft witzig. Das zweite Problem des gierigen Manni ist übrigens sein Schwarzgeld. Das wird wichtig.

Auch den aus dem Libanon geflohenen Etagenkellner Attila Rohwani (schön schleimig: Marcus Calvin) plagt Unbill. Erstens hinkt der Exbanker aus Beirut. Zweitens ist er so klamm, dass er die Sprechstundenhilfe Selma Markovic (eher klinisch frivol: Eva Gosciejewic) um zehn Euro anpumpen muss für das Taxi. Selma wiederum sehnt sich nach möglichst echten Arztpapieren. Und oft schaut auch die Uschi vorbei in der Promipraxis. Die Film- und
Fernsehschauspielerin Uschi Stahl leidet dreifach. Erstens wegen ihres Exgatten, zweitens wegen Zenta Burger und drittens plagt die Uschi seit dem letzten Lifting ein steifer Hals. "Die großen Rollen kriegst du nur, solang du keinen Hals hast wie ein aufgetautes Aldi-Hendl", erklärt die Alternde, die Georg Ringsgwandl, der Autor, Regisseur und Hauptdarsteller vom "Prominentenball" im Münchener Residenztheater gemeinerweise mit einem Mannsbild besetzt hat. Christoph Marti spielt die Uschi herrlich verweht, mit einem bösen bisschen Mitleid.

Georg Ringsgwandl nun, der für gewöhnlich wunderbar schonungslose Lieder zur Gitarre vorträgt, aber früher auch mal Oberarzt für Kardiologie und Intensivtherapie war, hat sich für sein neues Gaudistück eine dunkle Kinnlangperücke aufgesetzt, die der bewährten Frisur des Nationalmannschafts- und Bayernarztes Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt ganz
schön ähnelt. Überdies sorgt der knielahme Kicker Manni behände dafür, dass sein Doc neben den bolzenden Bayern fortan auch die darbenden Deutschen kurieren darf. Bernhard Mayer ist also am Ziel. Und Ringsgwandl darf sein Erfolgsrezept besingen, die "Anti-alles-was-das-schöne-Leben-stören-könnte-Superspitzenmedizin".

Weil es aber im Theater ganz allgemein so ist, dass das Glück vor der Pause niemals anhält bis zum Schluss, wendet sich in "Prominentenball", diesem inszenierten Eiskratzer, diesem mit den kreuzbraven Mitteln des angegilbten Revuefilmchens unablässig boshaft gegen die Kälteschicht einer selbst ernannten Elite anätzenden Gaudireigen, alsbald das Blatt. Das karrierefördernd geknüpfte Beziehungsgeflecht des gar nicht so smarten, ewig im Kicktrikot herumschlurfenden und an der Zither zupfenden Doktors legt sich dann schlingenhaft um dessen Hals. Und den gilt es - irgendwie - zu retten.

Des Doktors Steigbügelhalter Manni hat sich in seinen kopfballgeschädigten Schädel gesetzt, dass der Kellner aus dem Libanon sein Schwarzgeld mehren möge. Andernfalls droht Manni mit dem Auszug des Kaders aus der Chaospraxis. Außerdem will Selma mehr Geld, und des Doktors Gattin Anne-Liese, ihres Zeichens Boutiquenbesitzerin (wunderbar würdevoll aus den Bühnenwirren herausragend: die grandiose Irm Hermann), beharrt auf dem Gemahl als Opernbegleitung, und zwar keinesfalls im Trainingsanzug. Und das Finanzamt mahnt überdies Nachzahlungen in beträchtlicher Höhe an.

Nun also kommt Schwung in die Klamotte, deren feixende Satire in den schwächsten Momenten bloß Rechtfertigung ist für manch schales Trallala, in den stärksten Momenten jedoch Sahnehäubchen auf einem erfrischend leichten Theater nach dem Lustprinzip. (Was übrigens den ganzen Abend lang überzeugt, sind die leise vorgespielten Kleinodien von Ringsgwandls virtuoser Band. Vor allen anderen sein langjähriger Gitarrist Nick Woodland zaubert dem grellen Größenwahn auf der Bühne jazzige, bluesige, folkige Bescheidenheit entgegen. Welch eine Spannung!) Als Bernhard Mayer in Bedrängnis gerät, läuft Georg Ringsgwandl, dem ja auch in seinen Konzerten die besten Momente immer dann gelingen, wenn er ganz nahe an den Verlierern fühlt, zu großer Form auf.

Zudem versprüht er nun die bittere Moral der lustigen Geschicht: Aufgemerkt, ihr Netzwerker, will der Doktor uns sagen, das Geflecht hat zweierlei Seiten: Wer auf dem Weg nach oben eifrig Netze knüpft und am Höhepunkt seines Wirkens jene fleißig festzurrt, der saust auf dem Weg nach unten im besten Fall durch die Maschen. Im schlechtesten Fall erwürgt ihn das Garn.

Also gilt es die Mannschaftsarztmähne immer öfter aus dem Gesicht zu streichen, um die eigenen Vorzüge nicht aus den Augen zu verlieren ("Das ist es, womit ich die Sportler überrasche - ich habe ein Dreiergefrierfach in der Tasche!"). Im Zweifelsfall redet sich der fidele Bankrotteur das finanzielle Desaster als Gesundschrumpfung schön, während fiskalisch erledigte Exkicker beim finalen Prominentenball schon mal den Revolver abfeuern, weil die einstigen Underdogs der Praxis am Schluss über Promiblödheit triumphieren. Jetzt ein Kuss, ein inniger, ein romantischer, ein extraschlecht kitschig geschauspielerter, der auf die Laienbühne passt und ganz grotesk aus dem Rahmen purzelt und deshalb schon wieder bestens in den "Prominentenball" hinein.

Der Rest ist reine Mutmaßung. Georg Ringsgwandl hat ein Problem: Er ist einer der besten deutschsprachigen Liederschreiber, bloß dass das kaum jemand weiß außer den paar hundert Menschen, die zu seinen Konzerten pilgern. Sein Name ist bloß ein bisschen prominent, sein Gesicht kaum. Je länger der "Prominentenball" gespielt wird, desto mehr Menschen, deren Art Schmuck zu tragen, verrät, dass sie keine Ringsgwandl-Konzerte besuchen, werden seinen Namen kennen und einen Teil seines Gesichts. Dass einem Künstler das gefällt, ist legitim, zumal Ringsgwandl ja nicht quält. Sein "Prominentenball" ist über weite Strecken sehr amüsant, manchmal langatmig, und gelegentlich beschenkt das Stück seine Kunden mit dem Erkenntnisgewinn eines guten Ringsgwandl-Songs: dass das Leben genau deshalb schwierig ist, wie er das jetzt aufgeschrieben hat, und dass die Menschen es noch schwieriger machen, genauso, wie er es spielt. Dass ein gewöhnliches Ringsgwandl-Konzert besser ist als der "Prominentenball" unterstreicht so gesehen nur des Künstlers Klasse.
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Süddeutsche Zeitung 22.03.04

Georg Ringsgwandls "Prominentenball"

Der Doktor und das liebe Knie


Petitesse royale: Ringsgwandls Schickeria-Sause im Münchner Residenztheater.
Von Christopher Schmidt

Im Grunde liegen ja in unserer Halbweltstadt München dank der medialen Nahrungskette die Theaterthemen auf der Straße. Genauer: auf der Maximilianstraße. Man bräuchte dort nur ein paar Mal auf und ab zu promenieren und hätte den heißen Stoff zusammen für eine tragikomische Prachtboulevardkomödie mit brennendem Asphalt. Also ein modernes Königsdrama über die Schönen und Reichen, die mehrheitlich davon leben, zumindest für eines von beiden gehalten zu werden.

Was ist die Steigerungsform von Kir royal? Kirre royal? Für die meisten Nicht-Hiesigen ist München nur eine giftig glitzernde Abschaumblase. Vielleicht gehört es aber einfach zu den Gesetzen dieser Stadt, dass man sich nach dem Schund, der in den Händen der richtigen Schauspieler zu Gold werden müsste, nicht hinabbückt.

Eigene Realsatire Vielleicht liegt es aber auch daran, dass hier die Überzeichnung der postbarocken Verhältnisse immer schon von der Wirklichkeit überboten wird. Jedenfalls ist München insoweit seine eigene Realsatire, als man von den Luxussorgen der Wohlstandsverwahrlosten weniger aus den Klatschspalten der Regenbogenpresse erfährt als durch die vermischten Kleinanzeigen der SZ.

Am vergangenen Wochenende zum Beispiel wurde in der Rubrik Verschiedenes unter anderem ein großzügiger Privatkredit um 15000 Euro gesucht sowie eine persönliche Modeberaterin, ferner eine kurze Lederhose mit Trägern, ein männlicher Escort-Service, ein Fachanwalt für Betreuungsbetrug und ein professioneller Ghostwriter für eine Autobiographie. Ein Bayreuth-Liebhaber suchte „2 Tannhäuser gegen 2 Holländer“ und ein 49-Jähriger einen wohlklingenden italienischen Familiennamen durch Adoption, „kein Adelstitel!
“.

Die Arroganz der Tracht Einen neuen klangvollen Nachnamen sucht auch der Orthopäde Dr. Bernhard Mayer in Georg Ringsgwandls „Prominentenball“, der fesche Sportmediziner und Promi-Arzt, den alle nur den „Doc“ nennen und der überzeugt ist, wenn er einmal seine Praxis in der City zusperren muss, gehen in der gesamten Fußgängerzone die Lichter aus. Der Mittelstürmergott Manni Deus hat ihm den Posten des Mannschaftsarztes bei der Nationalauswahl verschafft („Brauchst di ned revanschiern, tust mer halt amol an G’falln“).

Sportlich gesehen ist der Franke tote Biomasse mit seinem lädierten Knie, aber der Doc wird ihn noch einmal durchspritzen bis zur WM – Spezlehrensache. Der standesbewusste Dr. Mayer will naturgemäß ungern mit jedem x-beliebigen Kurpfuscher gleichen Namens aus Gröbenzell verwechselt werden, und da seine Gattin eine geborene vom Pfuhl ist, was sich für einen Doppelnamen allerdings schlecht eignet, möchte er, dass sie sich adoptieren lässt. Also vermittelt ihn der Libanese Attila Rowhani an den mittlerweile verarmten Adoptions-Millionär Waldorf (Helmut Pick), der dem Doc zu seinem neuen Namen Mayer-Waldorf und damit zu dem feingetunten Kürzel BMW verhilft.

Rowhani seinerseits tut sich mit BMWs kroatischer Sprechstundenhilfe Selma zusammen. Mit einem geliehenen Cerruti sowie geschnorrtem Taxigeld als Startkapital reüssiert er alsbald zum kreativen Anlageberater des Society-Gschwerls im Wartezimmer, das sein Schwarzgeld weiß waschen will, wie etwa der hauptberufliche Feinkostkettenkönigssohn Michael Dachs. Als diabolischer Racheengel mit Hinkebein hat Rowhani zuletzt alle abgezockt und ist fester Teil der Bussi-Gesellschaft. „Erst beschissen, dann auch noch verarscht“, resümiert Manni Deus, mittlerweile Trainer der Karpatenauswahl.

Sorgen ganz anderer Art treiben indessen die abgetanzte Fernsehdiva Uschi Stahl in die Arztpraxis. „Sag mal, fährst Du zur Zeit viel offen?“ fragt der besorgte Doktor, weil Uschi ihren Kopf nicht mehr bewegen kann. Der Operateur in Colorado hat die Abnäher zu knapp gesetzt, dabei hatte sie ihm den Wert einer Doppelhaushälfte in Zorneding in den Rachen geworfen, um die Rolle der TV-Kommissarin zu ergattern.

Mord im Hochparterre Dummerweise heißt der Film „Mord im 26. Stock“. „Nennts ihn halt Mord im Hochparterre“ rät BMW, der „Spezialist für Gesunde“, und mahnt im übrigen zum positive thinking. Negative Gefühle seien für Uschis Bindegewebe genauso schlecht wie für Mannis Laktat.

Christoph Marti von Geschwister Pfister spielt die „ausrangierte Göttin“ als Blitzlichtgewitterziege mit bankrottem Sex-Appeal. Wenn er schief einherstöckelt, den Mund zu einem grausigen Dauerlächeln verzogen, und einen
electric boogie hinlegt wie unter Elektroschocks, ist das von einer bösen Schärfe in der Beobachtung eines Old-Stars, der zum lebenden Plastinat seiner selbst geworden ist, die der Abend zuweilen vermissen lässt. Zu bräsig wirken dann doch viele der Nummern, die durch eine konstruierte Handlung zusammengeflickt sind, um die Bussi-Bagage beim finalen titelgebenden Charity-Ball im Fegefeuer der Eitelkeiten zu läutern. Manches kommt aus der kabarettistischen Hausapotheke, anderes ist bloßer Spaß-Placebo, wenn die Münchner Schickeria satirisch verarztet wird.

Man merkt das gröbere Handwerk, das nötig war, um die immer dankbaren Klatschgeschichten über unschwer zu identifizierende Vorbilder auf die Bühne zu transplantieren: Jörg Hube als Loddar-esker Irokese Manni Deus, der jedes
zweite Tor fürs Finanzamt schießt, Robert Joseph Bartls feister Bogenhausener Schicki-Traiteur Dachs und eben Uschi Nazionale. Zweitverwertung alter Ausgaben von Gala und Bunte als dramatisches Hechel-Hopping. Den Modearzt aber spielt Ringsgwandl höchstselbst.

Der ewige Cortisonnyboy Mit BVB-Trikot und Winnetou-Perücke, kokett angewinkeltem Knie und Knutschmund weicheiert der „Arzt-Darsteller mit Promifimmel“ zwischen den durch halbseiden glänzende Brechtgardinen abgetrennten Behandlungszimmern umher, hantiert mit verchromter Designer-Wünschelrute und Zither fürs „sportmedizinische Schnaderhüpferl“, immer in wuselnder Eile, dem sozialen Absturz zuvorzukommen.

Denn er, der ebenso gut magische Putzlappen in der Fußgängerzone verkaufen könnte, findet nur in der Theorie soziales Downsizing einen „spannenden Ansatz“. Das weiß niemand besser als seine von Irm Hermann als maliziöse
V.I.P.-Viper gespielte Gattin Anne-Liese, die über ein untrügliches Frühwarnsystem verfügt: Wenn sich die derzeitige Gefährtin des Mittelstürmers in der Boutique ein heruntergesetztes Top zurücklegen lässt, ist wohl die Steuerfahndung nicht weit.

Undankbar sind hingegen die Rollen des Bonnie & Clyde-Pärchens Selma (Eva Gosciejewicz) und Attila (Marcus Calvin), die nur dazu dienen, die Songs und Spielszenen dramaturgisch zu verklammern. Dass das Ganze etwas homöopathisch daherkommt, liegt aber nicht nur an den eher soften Arrangements und daran, dass der „Prominentenball“ mit fast drei Stunden länger ist, als die Stimmung hält, sondern hat auch damit zu tun, dass bis zuletzt getextet und improvisiert wurde. Da die Nummern noch nicht sitzen, singspielt man übervorsichtig mit schleifender Kupplung.

Therapeutische Gründe Ein weiteres Handikap ist die als Kabarett-Brettl zu große Bühne – tückischer als in den Kammerspielen, wo Ringsgwandl seine Vorgängerprojekte „Tankstelle der Verdammten“ (1997) und „Ludwig II.“ (1998) herausgebracht hatte.

Aus therapeutischen Gründen sollte man auf die dramaturgischen Gehhilfen pfeifen, den Abend auf zwei Stunden entschlacken und die Praxis in den Marstall verlegen. Dort wären BMW und seine freien Radikalen besser aufgehoben, und aus der Promi-Sause würde vollends eine wunderbare Petitesse royale statt einer gernegroßen Münchner Kindlerei.

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Welt am Sonntag, 14.03.04

Fast wie im richtigen Leben

Uraufführung von Georg Ringsgwandls "Prominentenball" im Residenztheater

Theater muss wie Fußball sein", hieß ein Buch, das Anfang der 80er-Jahre auf den Markt kam. Also spannend, lebensnah, zum Mitfiebern. Der Autor sprach davon, populäre Formen für die etablierten Künste nutzbar zu machen, die konventionellen Grenzen zwischen Hoch- und Populärkultur zu durchbrechen.

Bestimmt wäre er begeistert, wenn er am Freitag die Premiere von Georg Ringsgwandls Stück "Prominentenball" im Residenztheater sehen könnte. Denn erstens spielt Fußball darin eine nicht zu unterschätzende Rolle. Zweitens vermischen sich Realität und Fiktion auf unentwirrbare Weise. Zum Beispiel gibt Ringsgwandl seinen Figuren erfundene Namen, aber diese weisen deutlich auf real existierende Personen hin. Und drittens stimmt das Timing: Ob
Zufall oder künstlerische Vorausahnung - die Uraufführung von "Prominentenball" platzt mitten in den Skandal um die Schmiergeld-Affäre beim Bau des neuen Münchner Fußballstadions "Allianz Arena".

Auch bei Ringsgwandl geht es um Geld, Betrug und einen berühmten Fußballverein. Die Geschichte nimmt ihren Anfang in dem Hotel "Jahreszeiten" an einer noblen Shoppingmeile. Dort arbeitet Attila Rowhani, ein Flüchtling
aus dem Libanon. Eines Tages beschließt er, sich den Armanianzug eines Gastes auszuleihen, um in der Luxus-Boutique gegenüber einzukaufen. Das verändert sein Leben. Denn Kleider machen nun mal Leute, und plötzlich ist der Etagenkellner Mitglied der schillernden Bussi-Bussi-Gesellschaft der Stadt. Er lernt sie alle kennen, die Film- und Fernsehsternchen, Edelgastronomen und Fußballstars.

Die Tür zur High Society öffnet ihm Dr. Mayer, der ihn auf Empfehlung der Besitzerin der Luxus-Boutique behandelt. Als dieser Doktor den Posten des Nationalmannschaft-Arztes erwirbt, will er aus Prestigegründen unbedingt einen Doppelnamen haben. "Da seine Frau eine geborene Gräfin vom Pfuhl ist", erklärt Theatermacher Ringsgwandl, "scheidet diese Möglichkeit aus." Doch Rowhani hat eine Idee: "In dem Obdachlosenasyl, wo er noch immer wohnt, gibt es einen heruntergekommenen Alten namens Herbert Waldorf, und der adoptiert Frau Mayer. Nun erscheint der Doc bei seinen großen Auftritten als Dr. Bernhard Mayer-Waldorf, abgekürzt BMW."

So skurril geht es in Ringsgwandls Inszenierung munter weiter: Das Gerücht geht um, Rowhani hätte in der Beiruter Bankszene Unmengen von Geld gemacht. Und das große Geld wollen seine neuen Freunde auch machen. Also drängen sie ihn, ihr Geld zu verwalten, ohne auf seine Ausflüchte einzugehen.

So amüsiert sich die High Society prächtig, bis die große Pleite allen einen Strich durch die Rechnung macht - bei Dr. BMW. Nicht nur dass sein Verein in der Tabelle zurückfällt, auch seine Praxis schreibt rückläufige Zahlen. Die ersten Prominenten ziehen zum nächsten Gesellschaftsarzt weiter.

Trotzdem wird der Schein gewahrt, der lang geplante "Prominentenball" für wohltätige Zwecke veranstaltet. Auf dem Höhepunkt des gesellschaftlichen Events allerdings kommt es zum Eklat....

Wie der Eklat um die Wildmosers weitergeht, ist ungewiss. Sicher scheint nur, dass es um Informationen über die Preisvorstellung der Fußballvereine ging, damit der Bauunternehmer nicht in die Verlegenheit kommt, ein zu niedriges Angebot zu machen. - Hört sich eigentlich wie eine weitere Szene aus Ringswandls "Prominentenball" an.

Verena Richter
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Merkur Online 21.03.04

Die Champions League muss warten

 Unentschieden: Ringsgwandls "Prominentenball" im Residenztheater  "Früher haben wir Fußball gespielt, und wer krank war, ist zum Arzt gegangen. Heute geht der Doktor mit zum Spiel, und alle sind krank." Das auf Fränkisch vom alternden Mittelfeldstar Manni Deus. Da weiß man Bescheid: In dieser Aufführung wird eine Rakete nach der anderen abgeschossen. Denn gemeint ist der FC Bayern und sein Doc und überhaupt der ganze Schickimickischmarrn vom Isarstrand.

 Georg Ringsgwandl, zuletzt mit seinem Punk-Musical "Ludwig II." in der Bundesliga von Rock, Pop und Theater ganz oben, hat jetzt erneut zur Meisterschaft gebeten: zur Uraufführung des "Prominentenballs" im Münchner Residenztheater. Spielausgang: unentschieden. Denn wenn Trainer, Schiedsrichter, Mittelstürmer und Torwart ein und dieselbe Person sind - wie es eben bei Georg Ringsgwandl der Fall ist, werden doch zu viele Pointen ins Aus gedroschen.

Trost für das amüsierbereite Publikum: Noch ist nichts verloren. Es gibt Verlängerung - die laufende Saison und ganz gewiss die nächste und übernächste. Auf weite Sicht geben wir der Ringsgwandl-Mannschaft eine Chance für die Champions League. Denn jeder einzelne ist hier eine Spieler-Persönlichkeit. Und der Präsident vom FC Resi ein Ballsolist auf Erfolgskurs.

Zwei Dinge schienen beim Auftakt-Match zu fehlen: Ordnung und Anarchie. Genau in dieser Mischung aus straffer Organisation der Szene, coolem Profitum und kalkuliert-unkalkulierter Wildheit sowie dem Furor des freien Radikalen, des besessenen Amateurs lag bislang der unwiderstehliche Charme von Ringsgwandls musikalisch-theatralischen Sektionen. Im "Prominentenball" nun schlägt der Rock- und Poppoet, der das Stethoskop seines einstigen Oberarzt-Daseins mit dem Stakkato seines musischen Ichs endgültig getauscht hat, einen anderen Rhythmus an, als wir ihn bislang von ihm gewohnt waren. Seine Musik, gespielt von vier auf der Hinterbühne platzierten Solisten, plätschert zwar leicht angeschrägt, aber doch allzu gefällig dahin. Uncharakteristisch. Zu viel Kunstabsicht.

Ganz anders Ringsgwandl als Darsteller. Wenn er als Promiarzt und Doc der Bayern- und Nationalmannschaft mit expressionistisch wildem Blick durch die Behandlungskabinen seiner Praxis fegt, wenn er eine Cortison- oder Anti-Aging-Spritze nach der anderen seinen illustren Patienten in Hintern und Knie jagt, wenn er die schwarze Mayer-Waldorf-Mähne divenhaft aus dem Gesicht wirft oder seine langen, schlaksigen Beine graziös wie ein Ballerino
kreuzt und zu all dem schamlos ins Publikum hineinkokettiert, dann blitzt für Momente etwas vom Chaos seiner Seele auf, dann wird's interessant. Und ein paar Abseitsfallen weniger wird die Aufführung aufzuweisen haben, sollte Ringsgwandl eines Tages auch noch seinen Text beherrschen.

"Bitte eine Ampulle Diphenylhydraminhexavirginylmalefitzbenzedrinifizierte Löwenzahnsulfonalulilat." Bayern-Doc Bernhard Mayer-Waldorf

Denn was hier auf klamottig-kabarettistische Weise verhandelt wird, hat schon gewaltigen Unterhaltungs-, da Wiedererkennungswert: die Reichen und Schönen der Münchner Stadt, die ihre liebe Not haben mit dem Erhalt ihrer
Prominenz und mit jenen Unsummen Geldes, die sie am Fiskus vorbei kassiert haben. Wie sauer ihnen ihr süßes Leben aufstößt, das spielen wunderbar komisch Jörg Hube mit seiner ulkigen, fast schon tragikomischen Fußballer-Persiflage Manni Deus und, wahnsinnswitzig, Robert Joseph Bartl als der Feinkostkettenkönigssohn Michael Dachs von der Prinzregentenstraße.

Die Ballkönigin dieses Abends aber ist sie, ist der Film- und Fernsehstar Uschi Stahl, gespielt von Christoph Marti. Jeden Ball, der ihm von Ringsgwandl zugespielt wird, verwandelt er in einen geglückten Torschuss. Mit einem Blick nur fängt er die Zuschauer auf den Tribünen ein, und nach seinem ersten Song liegen sie ihm bereits zu Füßen.

Unglaublich komisch und nicht ohne Bosheit der Text, den Ringsgwandl dieser Rolle gegeben hat. Und nur zu gern lässt das Publikum seine Schadenfreude laut lachend herausplatzen. Wenn die teure Uschi in den hinreißenden Kostümen von Ann Poppel ihre Ehe abhandelt - "30 Jahre haben wir uns nicht verstanden, und nie hat es ihm was ausgemacht" -, dann ist das ein Knaller. Oder wenn sie über die Plage des Liftings spricht, bei dem ihr die Abnäher
am Hals zu straff gezurrt wurden: "Für das, was mich diese Operiererei gekostet hat, hätte ich eine Doppelhaushälfte in Zorneding bekommen."

Aber diese Bühnen-Uschi wird bei Christoph Marti - und darin liegt die Größe seiner Darstellung - nie ans böse Gelächter verraten. Bei aller Satire lässt er dieser Figur dennoch so etwas wie Würde. Die Sucht, der Zwang, ganz oben zu bleiben, der Neid auf die Taxi fahrende Zenta Burger und die anderen Sechziger-Diven - "Wenn du als Schauspielerin in meinem Alter keine Kommissarin spielst, dann bist du tot" - lässt diese Sorte Prominenz so
komisch wie tragisch zugleich erscheinen.

Ja, Christoph Marti ist der Star dieser Show. Da haben es die so genannten normalen Figuren nicht leicht, sich zu behaupten. Dennoch machen sie aus ihren mageren Mittelfeldspielern das Beste: Eva Gosciejewicz und Marcus
Calvin als Gaunerpärchen, musikalisch allerdings von Ringsgwandl vernachlässigt, und die spät in die Produktion eingestiegene Irm Hermann als Geschäfts- und Ehefrau, im Singen leider überfordert.

Als wundersamer Außenseiter am Spielfeldrand: der leise Helmut Pick als Obdachloser von feiner Größe. "Es kommt der Tag, da fährst du wieder U-Bahn", schreibt er all den Promis auf und vor der Bühne ins Stammbuch. Ehrlich gesagt, auch bei Georg Ringsgwandl warten wir wieder auf bessere Tage.

VON SABINE DULTZ